Zweifel an den Sanremo-Jurys

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Seit 1951 waren beim Sanremo-Festival Jurys an der Bestimmung des Ergebnisses beteiligt. Bis heute werfen sie allerdings häufig Fragen auf.

Seit 1951 waren beim Sanremo-Festival auf die eine oder andere Weise Jurys an der Bestimmung des Ergebnisses beteiligt. Bis heute werfen die Jurys allerdings häufig Fragen auf.

2023 werden, genau wie im Vorjahr, neben dem Televoting drei Pressejurys und eine demoskopische Jury an den Abstimmungen beteiligt sein. Eine öffentliche Expertenjury, wie in den Jahren 1999 bis 2003, 2007, 2008 und 2013 bis 2019, wird es nicht geben. An der Gesamtwertung im Finale werden neben 46 % Televoting zu 33,25 % die Pressejurys und zu 20,75 % die demoskopische Jury mitwirken. In der Endrunde der besten fünf sind es 34 % Televoting und je 33 % Presse- und demoskopische Jury.

Aufnahme des Ariston-Theaters in Sanremo an einem Abende des Festivals 2013. Zuschauer sind außerhalb der Absperrungen zu sehen, während sich im Eingangsbereich Sicherheitskräfte aufhalten.

Bei den Pressejurys hat sich gegenüber 2022 keine Änderung ergeben. Die Presse- und Fernsehjury, die Radiojury und die Onlinejury bestehen jeweils aus 50 akkreditierten Journalist:innen. An den ersten beiden Abenden stimmen sie getrennt voneinander ab, am vierten und fünften Abend gemeinsam. Die Mitglieder der Jurys kennen einander nicht. Auf welche Weise sie genau abstimmen, ist unklar und ändert sich regelmäßig; meistens müssen sie die Beiträge in eine Rangfolge setzen (bzw. eine begrenzte Anzahl von Punkten vergeben). Dadurch, dass sie mittlerweile an den ersten beiden Abenden abstimmen, können ihre Stimmen den weiteren Verlauf des Wettbewerbs deutlich beeinflussen.

Eine größere Änderung hat sich bei der demoskopischen Jury ergeben. Nachdem sie letztes Jahr erstmals von 300 auf 1000 Mitglieder vergrößert wurde, ist sie nun wieder auf 300 zurückgefallen. Die demoskopische Jury soll einen Querschnitt durch die musikinteressierte italienische Bevölkerung erlauben. Ob die Repräsentativität wirklich gewährleistet ist, bleibt fraglich. Wie üblich ist so gut wie nichts über die Zusammensetzung oder die Abstimmungsmodalitäten der vom Meinungsforschungsinstitut Noto Sondaggi zusammengestellten Jury bekannt. Diese Geheimhaltung mag zwar Manipulationen vorbeugen, befeuert aber auch regelmäßig die Gerüchteküche. Nicht zuletzt, da diese 1992 (also lange vor dem Televoting) eingeführte Jury meistens ein relativ eigenwilliges Abstimmungsverhalten zeigt.

Zweifel an den Sanremo-Jurys werden immer wieder laut. So hat die italienische Verbraucherschutzorganisation Codacons gerade einen Rekurs beim Verwaltungsgericht Latium eingereicht. Darin wird gefordert, sowohl Presse- als auch demoskopische Jury aufzulösen und neu zusammenzustellen. Während bei der demoskopischen Jury vor allem eine transparente Veröffentlichung der Kriterien ihrer Zusammensetzung erwartet wird, ist die Kritik an den Pressejurys, dass auch Journalist:innen, die die Lieder des Festivals vorab anhören konnten, Teil der Jury sein können. Diese durchaus interessante Beschwerde reiht sich in eine Reihe von Rekursen ein, die Codacons seit Einführung des Televotings gegen die Organisation des Sanremo-Festivals (zum Teil erfolgreich) angestrengt hat.

Logo (Codacons)

Wenn eine Abschaffung der demoskopischen Jury (wie zuletzt 2013 und 2014) zu radikal ist, wäre es eine Möglichkeit, die Jury wieder zurück in den Saal zu holen, so wie es von 2009 bis 2012 der Fall war. Dies birgt allerdings die Gefahr von Absprachen und Manipulationen, allein schon durch den zusätzlichen Druck, der durch die Öffentlichkeit auf den Jurymitgliedern lastet. Eine nachträgliche Veröffentlichung der Namen (wie bei den Jurys des Eurovision Song Contest) ist aus Privacygründen wohl auszuschließen. Bereits eine Veröffentlichung des Kriterienkatalogs in den Festivalregeln würde aber möglicherweise hilfreich sein. Bei den Pressejurys wäre ein Ausschluss von Pressevertreter:innen, denen die Lieder bereits bekannt sind, aus den Jurys durchaus denkbar.

Dass der Codacons-Rekurs noch eine Auswirkung auf das Festival 2023 haben wird, ist unwahrscheinlich. Eine repräsentativere und transparentere Zusammenstellung der Jurys ist aber trotz des Televoting-Übergewichts für die Zukunft wünschenswert.

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