ESC 2025 ohne Sanremo-Sieger

0

Nun ist es offiziell: Sanremo-Sieger Olly erteilt einer Teilnahme am Eurovision Song Contest 2025 eine Absage. Ein paar Gedanken dazu.

Nun ist es offiziell: Sanremo-Sieger Olly erteilt einer Teilnahme am Eurovision Song Contest 2025 eine Absage. Ein paar Gedanken dazu.

Eurovision Song Contest, Basel 2025

Es hatte sich bereits am Morgen nach dem Sanremo-Finale abgezeichnet. Auf die traditionelle Frage von Eddy Anselmi bei der abschließenden Sanremo-Pressekonferenz, ob Olly Italien beim Eurovision Song Contest vertreten wolle, gab dieser keine klare Antwort und erbat sich Bedenkzeit. Dies kam eher überraschend, da alle Sanremo-Teilnehmenden der Rai gegenüber bereits vor dem Finale ihre Bereitschaft für eine ESC-Teilnahme angeben müssen. Olly scheint also zumindest eine positive Absichtserklärung abgegeben zu haben, andernfalls hätte die Rai wohl direkt die Nächstplatzierten nachnominiert.

Dass Olly keinen Sieg erwartet hatte, ist aufgrund seines erfahrenen Managements und seiner guten Ausgangsposition auch kaum anzunehmen. Zweifellos waren aber die zahlreichen ausverkauften Konzerte im Zeitraum des ESC ein wichtiger Faktor. Heute erklärte Olly schließlich, nicht am Eurovision Song Contest teilnehmen zu wollen und sich lieber auf seine Karriere in Italien zu konzentrieren. Die Rai reagierte schnell und so darf nun der Zweitplatzierte Lucio Corsi zum ESC fahren. Dieser hatte sich schon zu einer Teilnahme bereit erklärt.

Diese Entwicklung kann man nicht isoliert von der allgemein schwierigen Position des Eurovision Song Contest in der italienischen Öffentlichkeit sehen. Von Anfang an hatte der europäische Wettbewerb im „Geburtsland“ Italien im Schatten des Sanremo-Festivals gestanden. Als der ESC sich langsam immer stärker von Sanremo weg entwickelte, ließ das Interesse bei Rai und italienischem Publikum weiter nach. Während bis 1966 die Sanremo-Siegerlieder auch beim ESC präsentiert wurden, wählte man ab 1967 die Lieder intern aus, wohl im Versuch, das europäische Publikum stärker anzusprechen. Erst 1997 (!) kam wieder das Sanremo-Siegerlied zum ESC, doch anschließend zog sich Italien ganz zurück.

Nach der Rückkehr Italiens zum ESC 2011 wählte man die Lieder anfangs weiterhin intern aus. 2013 traf es zufällig das Sanremo-Siegerlied. Erst 2015 fand der ESC auch Eingang in die Sanremo-Regeln. Die entsprechende Passage bestimmte, dass der Sieger oder die Siegerin des Festivals das Recht erhält, Italien beim ESC zu vertreten. Wenn der Sieger oder die Siegerin diese Möglichkeit nicht nutzen will, wird eine interne Auswahl (unabhängig vom Sanremo-Festival) getroffen. Diese Regel hielt sich unverändert bis 2019. Bis auf 2016, als Stadio dem ESC eine Absage erteilte, gingen die Sanremo-Sieger:innen nun alle auch zum ESC.

Ab 2020 wurde zusätzlich vorgeschrieben, dass die Sanremo-Teilnehmenden bereits im Vorfeld angeben müssen, ob sie für den ESC zur Verfügung stehen. Außerdem deutete man zumindest implizit an, dass die interne Auswahl innerhalb der Sanremo-Teilnehmenden stattfinden würde. 2025 präzisierte die Rai die Regeln noch einmal, sodass die Teilnehmenden nun in der Reihenfolge der Finalwertung „nachrücken“. Es ist durchaus bemerkenswert, dass genau im Jahr dieser Änderung auch gleich (nach neun Jahren) diese Situation eingetreten ist.

Nahaufnahme von Måneskin auf der ESC-Bühne nach dem Sieg, Damiano hält die Trophäe in die Höhe
Måneskin gewinnt den ESC 2021 (Credits: EBU / Andres Putting)

Ollys Absage zeigt mit Sicherheit wieder einige der alten Probleme auf, die der ESC in Italien immer hatte. Nach dem Måneskin-Sieg 2021 erreichte der europäische Wettbewerb in Italien kurzzeitig eine neue Blütezeit, doch schon nach 2022 nahm das öffentliche Interesse sichtlich wieder ab. Trotz einer enormen Erfolgsquote (alle neun Sanremo-Siegerlieder, die seit 2011 beim ESC präsentiert wurden, erreichten die Top 10) werden Stimmen lauter, die die ESC-Auswahl von Sanremo abkoppeln möchten. Gleichzeitig sehen italienische Stars den ESC nicht unbedingt als Veranstaltung, die ihnen zu größeren Erfolgen verhelfen kann – anders als Sanremo, das den italienischen Musikmarkt dominiert.

Während es seit 2017 immer mehr so aussah, als sei die Frage nach der ESC-Teilnahme nur noch eine Formalität für Sanremo-Sieger:innen, hat Olly nun wieder einer größeren Skepsis die Tür geöffnet. Abhängig vom Ergebnis, das Lucio Corsi im Mai beim ESC erreichen kann, ist es durchaus denkbar, dass die Rai auch wieder die Regeln für die ESC-Teilnahme anpassen wird. In welche Richtung, ist schwer abzuschätzen. Eine gesonderte italienische ESC-Auswahl wäre aber höchstwahrscheinlich sowohl für das Sanremo-Festival als auch für den ESC eine schlechte Nachricht. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommen muss.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert