Sanremo 2023: Der erste Abend

Der erste Abend des Sanremo-Festivals 2023 ging mehr oder weniger planmäßig gegen 1:40 Uhr zu Ende. Hier die Zusammenfassung.

Amadeus und Gianni Morandi hielten gleich nach ihrem Auftritt einen Schweigemoment für die Opfer der Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Danach erschien Staatspräsident Sergio Mattarella mit seiner Tochter auf der Ehrenloge – einem eher ungewöhnlichen Platz ohne gute Sicht, was deutlich machte, dass der Präsident nur für einen Kurzbesuch gekommen war. Die danach von Morandi angestimmte Nationalhymne war angenehm beschwingt. Roberto Benigni brachte anschließend mit seinem gewohnten Enthusiasmus und vielen Seitenhieben die Geschichte der italienischen Verfassung zur Sprache. Mit einigen schönen Zitaten wurden Pazifismus und Meinungsfreiheit hervorgehoben.

Nach dieser etwas länglichen, aber erfrischenden Einleitung ging der Wettbewerb los. Meine Bewertungen der Lieder und Auftritte folgt in einem eigenen Post. Komoderatorin Chiara Ferragni erfüllte wohl die Erwartungen: Sie war durchgehend souverän, wirkte aber auch meistens sehr kalkuliert. Ihr Monolog zu später Stunde drehte sich vor allem um sie selbst und war zwar emotional, aber nicht unbedingt überzeugend. Dagegen funktionierten Amadeus und Morandi als Moderatorenduo großartig, ihr Geplänkel und vor allem Morandis gewohnte Bodenständigkeit und Selbstironie waren eine sympathische Bereicherung.

Bei den Gästen gab es einen amüsanten Austausch mit der Schauspielerin Elena Maria Ricci, wobei Morandi lernte, was eine Profilerin alles über ihn herausfinden kann. Auf den Außenbühnen konnten Piero Pelù und Salmo überzeugen, wobei ersterer mit technischen Probleme zu kämpfen schien, letzterer hingegen sich am Ende offenbar samt Mikrofon in ein Schwimmbad fallen ließ. Der große Auftritt von Pooh und Francesco Fogli nahm viel Raum ein und konnte das Publikum begeistern. Leider sind Roby Facchinettis Stimmprobleme mittlerweile ziemlich offensichtlich und machen die Auftritte etwas anstrengend. Das abschließende Uomini soli war jedoch stimmig.

Während der Abend bis Mitternacht eher dahinplätscherte, kam es um Mitternacht zu einem denkwürdigen Zwischenfall beim Auftritt von Blanco. Zu Beginn des Abends hatten Blanco und Mahmood noch einen starken Auftritt mit ihrem Siegerlied 2022 Brividi hingelegt. Blanco sollte um Mitternacht noch seine neue Single vorstellen. Während des Auftritts fielen jedoch offenbar sein Mikrofon und seine Kopfhörer aus. Da die Musik dennoch weiterspielte, reagierte Blanco mit der Zerstörung des Blumenarrangements auf der Bühne. Das Saalpublikum protestierte dagegen und Amadeus tat sich im Anschluss sichtlich schwer, die Stimmung zu retten. Wie Morandi korrekt feststellte, dürfte dieser unverständliche Vorfall eines der Gesprächsthemen dieses Festivals werden.

Nach dem letzten Auftritt des Wettbewerbs stimmte Gianni Morandi zum Gedenken an Lucio Battisti mit dem Publikum noch Il mio canto libero an. Dann war es Zeit für die Wertung der Pressejurys: Ohne Überraschungen belegte Marco Mengoni am Ende den ersten Platz, vor Elodie, Coma_Cose, Ultimo und Leo Gassmann. Nach der Verabschiedung durch Amadeus ging der Abend noch in der Aftershow von Fiorello weiter, der Blancos Blumenmassaker sichtlich genossen hatte.

In Summe startete das Festival 2023 zwar stark, im weiteren Verlauf des Abends konnte es jedoch nur bedingt überzeugen. Das meiste war erwartbar, die Musik schien eher durchschnittlich und der denkwürdigste Moment war außerplanmäßig. Auf jeden Fall ist da noch Luft nach oben.